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Wer will eigentlich noch Trainer werden?

Trainer der 1. Herren meines Heimatsvereins zu sein – was war das für eine Ehre! Doch ganz schnell merkte ich, dass meine Vorstellungen von Fußball sich nur noch in wenigen Dingen mit denen glichen, die die Spieler hatten. Wie oft stand ich sinnbildlich allein im Regen, wie oft ärgerte ich mich über die Einstellung der Spieler, wie oft hörte ich immer wieder die gleichen Ausreden, wie oft war ich nach einer Niederlage noch auf 180, während die Spieler schon wieder lachen konnten. Ich könnte noch gefühlt 100 Punkte aufführen, doch 5 Fragen beschäftigten mich am meisten:

1.) Warum muss ich einen Spieler ständig für sein Hobby motivieren?

2.) Warum glauben einige Spieler, sie wären zu etwas Höherem berufen, obwohl sie knapp Kreisklasse schaffen?

3.) Warum fehlt so vielen Spielern nach einer Niederlage die Selbstkritik?

4.) Warum schaffen es einige Spieler in der Woche um 17 Uhr beim HSV zu sein, aber 19:30 Uhr Training und 15:00 Uhr Spiel sind oft nicht zu schaffen…

5.) Warum bin ich eigentlich immer da, Spieler sagen hingegen ständig ab – aber gnade mir Gott, ich würde einfach mal nicht auftauchen!

 

Klar, es gab auch 1.000 schöne Momente, aber trotzdem war ich irgendwann von der ganzen Verantwortung genervt und die Luft raus – und das alles in der Freizeit, bei Wind und Wetter, 2-mal die Woche und am Wochenende für ein kleines Taschengeld, das man in einen Stundenlohn nicht umrechnen kann. Muss man das wirklich haben? 

 

Ein Trainer, der nach dieser Serie aufhört, hat es in einem Telefonat auf den Punkt gebracht: „Wo ist denn der Trainernachwuchs? Wer will denn noch eine höhere Mannschaft trainieren, dermaßen Zeit investieren und immer da sein müssen? Ich war in über 10 Jahren bei einem Spiel nicht da – was glaubst du, was ich mir vom Vorstand und von den Spielern anhören musste! Ich hätte das Team in Stich gelassen, hätte ja wohl nicht die richtige Einstellung – das kam teilweise von Leuten, die ständig das Team hängen ließen!“

Ja, Trainer sein könnte so schön sein, aber vielleicht wird zu selten daran gedacht, dass auch hier sich die Zeiten geändert haben. „In meiner Jugend und ersten Zeit als Herrenspieler, da hatten die Trainer noch um 16 Uhr Feierabend, sind dann zu Sportplatz – ich selbst komme manchmal knapp vor 19 Uhr raus aus dem Job, muss dann direkt zum Platz“, so der alte Weggefährte.

 

Und dann sind da ja noch die Ansprüche der geliebten Spieler. Ja, früher, da hatten die Trainer es manchmal tatsächlich etwas leichter, denn da wurde nicht lange geredet, analysiert, hochpsychologisch gesprochen, Kritik gab es klar und deutlich (ja, vor allen Mitspielern), manchmal reichte der Blick eines Trainers aus – und auf der Bank zu sitzen war tatsächlich eine harte Strafe! Und wenn einem das alles nicht passte? Dann konnte man nach Hause gehen! Und heute? Wie sagte ein ehemaliger Coach so schön: „Da musst du halber Psychologe sein, immer Verständnis zeigen, musst jedes Wort gezielt wählen, bloß nicht zu hart sein und immer schön die Köpfe streicheln und Eis verteilen. Sorry, aber dafür reichte mein Realschulabschluss irgendwann nicht mehr aus!“