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Trainerstress – oder wenn dich nur der Hund des Kumpels versteht!

Da steht er an der Linie, der Trainer eines Kreisklassenklubs. Drei Minuten sind gespielt, doch der Puls des Coaches ist schon auf 180 Schläge pro Minute – Stress pur! Seit Samstag hat er eine Sprühwurst (der Ausdruck kommt von Coach Frank Kathmann), 100-Mal ist er bis 22 Uhr die Aufstellung und die Taktik durchgegangen, dazu die Einzelgespräche mit den Spielern und die Kabinenansprache. Frühstück am Sonntag fiel aus, zu aufgeregt. Seit 13 Uhr ist er auf dem Platz, tigert herum, wartet auf seine Kicker. Einzelgespräche, jeden motiviert, zwei kurzfristige Absagen verdaut, eindringlich auf den Gegner hingewiesen, nochmals Einzelgespräche geführt – passt. 

Nun steht er an der Linie, hat einen hochroten Kopf, ist angespannt, das Herz rast, die Gedanken auch, er flucht, meckert, schüttelt den Kopf, feuert sein Team an, ruft ununterbrochen etwas ins Spiel hinein – und dreht nach dem 0:1 fast durch. Dann die 100-prozentige Chance zum Ausgleich, vertan – die Wasserflasche des Trainers fliegt durch die Gegend. Nur ein falsches Wort, nur ein falscher Blick, nur eine unnötige Geste, dann platzt ihm der Hals.

Halbzeit: 0:1. Der Coach stapft Richtung Kabine, der Puls ist bei 200, der Blutdruck ist am kleinen Finger messbar. Rein in die Kabine, es gibt deutliche und laute Worte – der Dampf musste vom Kessel!

2. Halbzeit: Gleicher Stress, in der 60. Minute fällt das 0:2, nur drei Minuten später das 0:3. Der Coach sitzt auf der Trainerbank, leerer Blick, Arme verschränkt. Die Halsschlagader pocht – und er stellt sich immer die gleiche Frage: „Warum tue ich mir das jeden Sonntag an?“

Schlusspfiff: 0:5, der Trainer ist satt, bloß nichts sagen, sonst brennt der Baum. Schön, dass die Spieler schon wieder lachen können, der Coach jedoch hat eine schlaflose Nacht vor sich, denn was hat er verkehrt gemacht?

Nein, das ist keine Beschreibung irgendeines Trainers – dieser Trainer war ich als Herrencoach meines Heimatvereins! Jeder Sonntag war Stress pur, die 90 Minuten waren die Hölle, wie oft wäre ich am liebsten auf das Feld gerannt und hätte den Ball in die Maschen gedroschen! Und was brachte die ganze Aufregung? Nichts! Denn wenn deine Spieler nicht die gleichen Emotionen und Herzblut haben, einfach nicht besser können, dann kannst du reden und reden, Taktik ausgeben und anfeuern – es wird nichts verändern! Vor allem habe ich eines irgendwann gelernt: Die Spieler kriegen es selten mit, wenn du an der Linie jede Aktion kommentierst und lauthals Parolen auf das Feld wirfst. Wie sagte einst Thomas Groppe, einer meiner Nachfolger beim TSV: „Es gibt diese Tage, da redest und redest du, aber der einzige, der dich zu verstehen scheint, ist der Hund von Rainer Buchhorn!“

Wenn ich heute auf den Sportplatz gehe, dann sehe ich viele Trainertypen, wie ich es einer gewesen bin. Sie leiden an der Linie wie die Hunde, ich kann das gut nachvollziehen. Oft bin ich kurz davor etwas zu sagen, aber der Blick des Trainers reicht aus, um zu schweigen. Dann gehe ich leicht grinsend weiter und denke mir, wie schön es doch ist, dass ich diesen Stress nicht mehr habe!